Samstag, 3. Oktober 2015

Goldener Oktober?


















Dreckswetter, dämliches. Den ganzen Tag blauer Himmel und Sonnenschein mit angenehmen Temperaturen, aber wenn man mitten in der Nacht von der Maloche kommt friert man sich im T-Shirt den Arsch ab. Das beschert mir seit drei Tagen eine hartnäckige Erkältung, die hauptsächlich auf die Stimme schlägt. Gestern gar nicht vorhanden, klingt sie heute wenigstens ansatzweise nach Lee Marvin, aber ob ein geröcheltes "Wandrin' Star" unten auf dem Platz ankommt ist doch sehr zu bezweifeln. Mein Support fällt eher flau aus heute, das ist mal sicher.

Drecksnahverkehr, dämlicher. Die App sagt 11:28, der Aushang an der Haltestelle sagt 11:30, die Rücklichter des in der Ferne verschwindenden Busses sagen ungefähr 11:24. Der nächste fährt in einer halben Stunde, die andere Linie an Feiertagen gar nicht. Fängt ja gut an der Tag, also den Bus in die Gegenrichtung nehmen und mit der Regionalbahn fahren. Mit der "Verspätung ist immer drin" Regionalbahn, dieses Mal nur fünf Minuten, macht zusammen 20 Minuten Wartezeit. Der nächste Bus in die richtige Richtung fährt sofort, braucht aber alleine bis Wandsbek Markt schon eine halbe Stunde, das rechnet sich nicht. Glaube ich jedenfalls, denn mit meinem verrotzten Schädel fällt die Rechnerei schwer. Wenigstens ist die Bahn, wenn sie denn fährt, einigermaßen fix am Hauptbahnhof und die U3 fährt alle fünf Minuten. Ist das an Feiertagen normal oder hat da jemand mitgedacht?

Schon wieder ein Schal. Kaum bin ich im Stadion hält mir eine junge Dame einen Schal vor die Nase, ach ja, da war doch was. Refugees Solischal für nen Zehner. Wo ich jetzt diesen praktischen Schalhalter vom schwedischen Steuerhinterzieher habe nehme ich einen mit, trotz der gewöhnungsbedürftigen Farbkombination, die den wohl für immer in den Schrank verbannen wird. Der gute Zweck heiligt nicht jedes Mittel.

Dreckskaltes Bier, mistiges. Tee wäre jetzt gut, heiß, mit Zucker und Zitrone Rum. Hilft aber nur, wenn man danach ins Bett geht und schwitzt - und davon bin ich meilenweit entfernt. Ich könnte neben dem Dartmeister in Block 2 sitzen weil der Skipper heute nicht da ist, entscheide mich nach kurzer Überlegung aber für meinen eigenen Platz, der ist besser ausgestattet. Die Idee des Bierbecherhalters ist bei den Veteranen inzwischen zwar angekommen, aber damit noch lange nicht umgesetzt (btw: war da nicht mal ein Banner im Gespräch?). Wenn ältere Herren etwas planen...

Das Herz von Sankt Pauli ist definitiv nicht die Tonlage von Lee Marvin, ich schone den Hals besser für eventuelle Pöbeleien während des Spiels, das sollte gerade noch machbar sein. Wer zu spät kommt hat keinen Plan von der Aufstellung, muss aber auch keine Auswärtshymne ertragen. Was da unten zu den Hells Bells auf den Rasen läuft sieht sehr nach Stammelf aus, mit Buchti auf Alushis Position und Dudziak neben Maier und Sobota. Kann losgehen.  

Drecksfußball, dämlicher. Vier Minuten lang sieht das gut aus, dann spielt Ratsche einen katastrophalen Pass in des Gegners Beine, ein kurzer Pass auf den freien Mann und zack steht es 0:1.  Nach dem ersten Schock sacht der Nachbar doch ganz trocken "besser ein frühes Gegentor als ein spätes", da kann der nächste Sandmann völlig unbedrängt in den Strafraum flanken, zack steht es 0:2. Nach nur sieben verfixxten Minuten, ich glaubs ja nicht. "Besser zwei frühe Gegentore..." grinst der Nachbar leicht gequält "wir haben noch viel Zeit das zu drehen."
Das allerdings gestaltet sich schwierig, denn Sandhausen macht das ziemlich geschickt. Eklig, aber geschickt. Vorne immer sofort auf den Mann, hinten die Räume eng machen, kommt die Mannschaft überhaupt nicht mit klar. Das ziehen die jetzt das ganze Spiel durch, kannste drauf wetten. Rennen, hakeln, schubsen, fallen, das volle Programm und unsere Jungs halten dagegen. Der Schiedsrichter würzt das Geschehen mit seltsamen Entscheidungen und gelben Karten, vorerst nur für uns, obwohl Sandhausen auch da klar führen müsste. Dudziak muss lange behandelt werden, Sobiech liegt ewig im Strafraum herum nachdem der Sandhäuser Torwart ihn aus der Luft gerammt hat, das ist Fußball mit Brechstange. Nicht schön, aber erfolgreich wenn die Pfeife nicht pfeift. Am Ende haben wir noch Glück, dass es zur Halbzeit nicht das dritte Mal klingelt, hoffentlich fällt Ewald etwas ein.

Das Pausenbier das schenk ich mir, sitzen bleiben, gemütlich Pausenrolle dampfen und Tapeten knipsen. Gegen Dosen, gegen Bild, aber cool mit RTL!? gefällt mir ganz besonders, denn was dem Verein eine Kooperation mit RTL Interactive bringt würde ich auch gerne erfahren. Ich bin ja geneigt dem Vorstand ein gewisses Vertrauen entgegenzubringen nach den letzten Monaten, aber RTL ist für mich so etwas wie BILD für TV-Glotzer. Was soll dabei rauskommen, außer so einem Mist wie Spielerfrauentausch oder Trainercontainer?

Drecksfußball, immer noch, denn Sandhausen ändert die erfolgreiche Spielweise logischerweise nicht. Attackieren, zerstören, blitzschnell die Lücken schließen, immer noch einen Fuß oder ein Bein dazwischenstellen - und die Artisten in der Zirkuskuppel sind ratlos. Treffen reihenweise die falschen Entscheidungen, gehen entweder die falschen Wege oder die richtigen Wege zu spät. Erkämpfen sich einen Eckball nach dem anderen, machen aber nichts draus. Der Schiedsrichter pfeift weiterhin eine Grütze zusammen, das ist nicht mehr feierlich. Durchaus möglich, dass die Partie mit zehn gegen zehn zu Ende gespielt wird, ist nur die Frage wen es zuerst erwischt.
Bei uns wird Dudziak durch Choi ersetzt und kurz darauf kommt John Verhoek für Ratsche in Spiel, was den Nachbarn sichtlich freut. "Ich mag ja seine Spielweise" sagt er, "der geht sofort drauf, macht immer viel Alarm vorne. Leider schießt er keine Tore." Tja, da sind wir geteilter Meinung, ich mag seine Spielweise ganz und gar nicht, würde mich aber damit anfreunden, wenn er wenigstens Tore schießen würde.
Noch knapp fünfzehn Minuten plus Nachspielzeit und Freistoß für uns, aussichtsreiche Position für Basti. "Wir können das noch drehen" meint der Nachbar in wenig überzeugendem Tonfall. "Ja" pflichte ich ihm bei, "wenn er das Ding jetzt in den Winkel nagelt und damit das Stadion aufweckt, das erwachte Stadion dann wiederum die Mannschaft aufweckt und die bis zum Ende Vollgas geben, dann können wir das noch drehen. Aber so leise wie es hier inzwischen ist glaubt da niemand mehr dran, außer dir." 
Bastis Freistoß kommt guuuut, aber der Keeper kriegt die Hand dran, Mist. Ecke. Kommt rein, wird rausgehauen und fällt Choi vor die Füße. Jetztjetztjetzt....jaaaaaa. Choi! Anschlusstreffer! 1:2 und jetzt gehts los, wenigstens einen Punkt retten, allez ihr Säcke. Letzte Auswechslung bei uns, Schnecke Kalla kommt für Sobota, der sich immer mehr verzettelt in seinen Dribblings. Auf gehts Jungs, das wird noch was. Nicht.
Weil ein Sandhäuser geschickt über Buballas Beine stolpert und der Schiri das als elfmeterwürdig ansieht. Ganz großes Kino heute, ich werd zum Elch. Robin ist in der richtigen Ecke, mit der Hand noch dran, aber keine Chance, 1:3, das war es dann wohl.
Dabei haben wir den nächsten Anschlusstreffer auf dem Fuß, genauer gesagt hätte ihn John Verhoek auf dem Fuß gehabt, wenn Verhoek einen Fuß hätte mit dem er Fußball spielen kann. "Den hätte meine Oma gemacht" schimpft der Nachbar, der nach nur zehn Minuten nicht mehr ganz so überzeugt ist von Johnnys Qualitäten. Die letzte Chance hat Maier, scheitert aber am Torwart und dann spielt Sandhausen das locker zu Ende.


Wenn das ein goldener Oktober werden soll, hätte er besser mit Scheißwetter und drei Punkten anfangen sollen. Schon sehr bezeichnend, wie sich Trainer und Spieler von Sandhausen überschwänglich beim Schiedsrichtergespann bedanken. Zumindest einen Teil ihrer drei Punkte haben sie den Pfeifen zu verdanken, der andere Teil ist unsere schlichte Unfähigkeit Tore zu erzielen. Auf Dauer werden wir uns da oben nicht halten, dazu fehlen ein bis zwei erstligataugliche Stürmer und das wir das eine oder andere Spiel noch verlieren werden stand auch schon lange fest, nur nicht wann und wo. Die Aufstiegsfantasten in den Redaktionsräumen können endlich wieder in ihre Höhlen kriechen und sich anderen Themen widmen bis wir 40 Punkte haben.

Ein Bier geht immer noch rein. Die Tresenkurve hat hohen Besuch, Koschi hat seine Eltern dabei und Vaddern ist ganz entsetzt von dem, was er da sehen musste auf dem Rasen. Wenn der wüsste, was wir uns hier schon alles angetan haben. Das Kleeblatt hat gerade noch viel derber verkackt, so etwas passiert halt auch anderen. Schnell noch in die Fanräume und etwas Lektüre besorgen für die Rückfahrt, der Kiezkieker hat wieder einen dollen Sticker im Heft den ich unbedingt haben muss. Leider passt der so gar nicht zum heutigen Spiel, auch wenn die drei Jungs auf dem Cover nicht unbedingt dran Schuld waren.

Oktoberfotos: Bahnhof Rahlstedt, Gegengerade Millerntor, YNWA, Michel, Kiezkieker
Oktoberbier: Gruthaus Pumpernickel Porter, 5.6%
Oktobermucke: Los Lobos - Gates Of Gold / Patrick Sweany - Daytime Turned To Nighttime











































1 Kommentar:

  1. War da nicht noch ein Abseitstor? Und ein nicht für uns gegebener Elfmeter? Zusammen mit der 100 Prozent Chance von Verhoek hätten wir also 4:3 gewinnen müssen :D

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