Sonntag, 23. August 2015

Elbaufwärts
















Der Käptn will Urlaub machen, irgendwo auf der Müritz oder den angrenzenden Seen. Wochen vorher schon informiert er den Omka-Fanclub über die ersten zwei Tage dieser Tour, an denen er sich Begleitung wünscht für die langwierige Überführung des Schiffes ins Feriengebiet. Am ersten Tag soll es bis Lauenburg gehen, am zweiten dann bis Dömitz. Selbstverständlich muss ich da mit, auch wenn es sich wieder sehr nach Abenteuer anhört, denn Dömitz hat zwar einen Bahnhof, aber keine Bahn mehr die dort hält. Mit viel Glück bekommt man da am Sonntag noch irgendeinen Bus, der zum nächsten Kaff mit Bahnanschluss fährt.

Das Hotelzimmer in Lauenburg ist schnell gebucht, die erste Hürde genommen. Die zweite dürfte problematischer zu nehmen sein. Den stillgelegten Bahnhof von Dömitz hätte ich ja gerne fotografiert, es ist wohl dennoch geschickter sich vorher in Hitzacker am Hafen absetzen zu lassen, am Sonntag Abend habe ich sicher keinen Bock mehr auf dreimal umsteigen mit Bimmelbahn und Postbus.

Zwei Wochen später ist alles hinfällig, die Elbe führt zu wenig Wasser. Bis Lauenburg geht es gerade noch, danach wird die Schifffahrt eingestellt oder über Kanäle umgeleitet. Der Käptn informiert uns per Mail über die Planänderung, es geht über den Elbe-Seitenkanal weiter mit Etappenziel Uelzen. Auf der einen Seite extrem ärgerlich, denn die Elbtalauen sind fotografisch sicher interessanter als ein künstlich angelegter Kanal, auf der Habenseite steht jedoch das Schiffshebewerk Scharnebeck und der Hundertwasserbahnhof in Uelzen, mit direkter Verbindung nach Harburg. Muss ich halt mit dem Auto irgendwann in die Auen.

Samstag früh geht es los, zu wahrhaft gottlosen Zeiten findet man immerhin Parkplätze am Hafen, da muss ich das ganze fotografische Geraffel nicht kilometerweit schleppen, für alle Fälle ist alles dabei, Lauenburger Altstadt bei Nacht könnte nett sein. Ein ungewohnter Anblick ist die Omka, ohne Mast hab ich sie das letzte Mal vor sieben Jahren gesehen. Ein gewohnter Anblick ist Bestmann Max, der sich fast keine Fahrt auf der Omka entgehen lässt und ein paar andere Gesichter erkenne ich ebenfalls wieder.

Nach der obligatorischen Harburger Einführungsrunde zum Kaffee geht es auf große Fahrt, das erste Mal seit sieben Jahren nach der Harburger Hafenschleuse in Richtung Elbbrücken, die wir schnell hinter uns lassen. Vorbei am Finkenriek, Binnenschiffanleger und Badestrand, um diese Zeit allerdings noch verwaist. Der Badestrand. Was nicht nur an der Uhrzeit liegt, das Wetter haut auch nicht so rein gerade. An der Bunthäuser Spitze teilt sich der Fluss in Norder- und Süderelbe, eine Ecke die ich unbedingt noch zu Fuß erforschen muss, wenn ich mal wieder Bock auf Naturparadiese habe. Zumindest für Reiher- und Kormoranfotografen ein lohnenswertes Ziel, es wimmelt hier von Fischfangspezialisten.

Am Oortkaten befindet sich nicht nur der bei Surfern so beliebte See, die haben sogar einen Hafen mit Slipanlage, auf der scheinbar die Hamburger Elbfähren gewartet und repariert werden, wieder etwas gelernt. Etwas Wartung könnte auch einer der letzten Elbfischer vertragen, vielleicht reicht es nach der nächsten Stintsaison ja für etwas Farbe, ansonsten bliebe noch der Museumshafen Övelgönne, wenn sich der Stintfang nicht mehr lohnt.

Wir befinden uns immer noch auf Hamburger Stadtgebiet, jedenfalls wenn wir die linke Hälfte des Flusses befahren. Am Zollenspieker Fährhaus kreuzen wir den Weg der Hoopter Möwe, die im Linienverkehr Hamburg und Niedersachsen verbindet. Fast zwei Stunden sind wir unterwegs, sehen Häuserdächer hinter den Deichen, Angler, Ruderer, Kühe, Schafe, einsame Strände und Holzhäuser auf  Stelzen, wo keine Deiche mehr zu finden sind, dann schippern wir auf die Geesthachter Schleuse zu.

Wieder lerne ich etwas dazu: die Omka ist ein Sportboot! Alter Falter, wer hätte das gedacht. Warten ist angesagt, hier geht es leider nicht nach Alter oder Schönheit, der Berufsverkehr hat Vorrang und beruflich sind wir nicht wirklich unterwegs. Wir müssen an einem der zahlreichen Poller festmachen, zusammen mit den noch zahlreicheren anderen Sportbooten, die natürlich alle einen wesentlich sportlicheren Eindruck machen als unser betagter Dieselschlepper, aber nicht einmal halb so viel Blicke auf sich ziehen. Charisma kann man halt nicht kaufen.

So manch einer nutzt die Zeit für ein Nickerchen in der Sonne, die sich inzwischen öfter blicken lässt, für die anderen gibts lecker Kuchen. Geschlagene zweieinhalb Stunden können wir zusehen, wie Binnenschiffe und irre lange Schleppverbände in die Schleuse einfahren und immer wenn ich denke, nu muss die langsam mal voll sein, kommt noch einer dazu. Über die Schleusenbrücke bin ich schon einmal gefahren, da sollte man vielleicht auch einmal zu Fuß drüber gehen, scheint interessant zu sein.

Exakt 160 Minuten später (zu irgend etwas müssen Bilddaten ja gut sein) kommt endlich das Kommando über die überall installierten Lautsprecher: Sportboote einfahren. Holla die Waldfee, als Obersportler sind wir vorne mit dabei. Gedrängelt wird trotzdem nicht, es ist genug Platz für alle da. Die Schleusenkammer ist riesig, kein Vergleich mit Harburg oder Tatenberg. Als Hamburger neigt man dazu die Binnenschifffahrt ein wenig zu belächeln, aber so ein Schubverband schiebt auch gute 48 Container auf einmal durch die Gegend und bei der Länge dieser Verbände wundert es mich jedes Mal, dass die in der nächsten Kurve nicht einfach auseinanderbrechen, denn eigentlich sind die nur durch ein paar Stahlseile miteinander verbunden.

Der zu bewältigende Höhenunterschied in Geesthacht ist ebenfalls nicht von schlechten Eltern, man sollte auf jeden Fall sein Boot möglichst so vertäuen, dass man hinterher den Tampen nicht aus dem Wasser fischen muss. Eine halbe Stunde später öffnen sich die Tore und wir sind wieder unterwegs, werden von den ganzen sportlicheren Sportbooten nach und nach überholt, passieren das abgeschaltete AKW Krümmel und eine noch ältere Ruine, die ich trotz intensiver Suche bei Gugelmaps nicht wiederfinde. Am Bug gibt es eine erfrischende Dusche, weil ich die quer auflaufenden Wellen eines Schubverbandes unterschätze, trocknet schnell in der Sonne und ist auch völlig egal, wenn am Ufer laufend Motive lauern, ob Urwald, Windmühle oder durch das Wasser laufende Mädchen mit Pferden.

Neunzig Minuten lang Uferparadiese, bis der Kirchturm von Lauenburg sichtbar wird, der ewig von den Elbfluten gebeutelten alten Stadt, das Etappenziel ist erreicht. So frühzeitig, dass noch ein kurzer Abstecher unter die Lauenburger Elbbrücken und in die Einfahrt des Elbe-Lübeck-Kanals drin sind, bis der Käptn einen Platz im Hafen findet. Der ist für Sportboote wohl nur bedingt geeignet, für unsportliche Menschen noch weniger, denn der Ausstieg erfordert einen sicheren Fuß und etwas geschmeidigere Bewegungsabläufe um halbwegs unfallfrei an Land zu kommen.

Als noch viel schwieriger erweist sich der Versuch in diesem Kaff ein Großraumtaxi zu bekommen, denn zum Hotel latsch ich garantiert nicht zu Fuß, das ist auf einem Berg. Glücklicherweise haben wir jemanden dabei der sich zum Reiseleiter berufen fühlt, die wichtigen Rufnummern alle in seinem Handy gespeichert hat und die Verhandlungen übernimmt, denn ich wäre nach fünf Minuten mit der Geduld am Ende gewesen. So lange etwa dauert es, bis der Taxifirma einfällt dass sie zwar ein Großraumtaxi haben, aber keinen Fahrer dafür, der hätte heute frei. Die zweite Lauenburger Firma hat einen Fahrer, ist aber zu dusselig die exakte Ortsbeschreibung unseres Reiseleiters an diesen weiterzuleiten, wodurch der an einer ganz anderen Ecke des Hafens nach uns sucht, obwohl dort garantiert kein abgebranntes Haus zu finden ist.

Nicht zuletzt bedeutet "kommt gleich" in Lauenburg wahrscheinlich etwas gänzlich anderes als in Hamburg, dennoch schaffen wir es vor dem Hochklappen der Bürgersteige in unser Hotel, wo neben einem sehr weichen Bett ein paar schöne kalte Bierchen locken, die ich mit ein paar weiter Mitreisenden auf der Terrasse genießen kann. Ein wahrhaft fantastischer Ausblick auf Fluss und Umgebung und eine in der Abendsonne leuchtende Elbbrücke rechtfertigen den Namen des Hotels, mehr Bellevue geht kaum noch.

Fortsetzung folgt...

Elbfotos: Kanalplatz Harburg, Hamburg Wilhelmsburg, Hamburg Kirchwerder, Elbfähre Zollenspieker, Schleuse Geesthacht, Lauenburg/Elbe. Klicken + F11 macht nass.
Elbbier: You Can Leave Your Hat On, Barley Wine, 9.5%, 25° Stammwürze, limitierter 30 Hektoliter Gemeinschaftssud Kehrweider Kreativbrauerei / Brauhaus Nittenau  
Elbmusik: The Bottle Rockets - Zoysia / Lean Forward









































7 Kommentare:

  1. der blick vom hotel ist echt der hammer. wir haben in lauenburg vor jahren schon einmal übernachtet, als wir noch längere radtouren gemacht haben. im alten schifferhaus in der altstadt wars auch nett, das zimmer war nur leider auf der falschen seite.

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    1. Im Bellevue ist der Ausblick vom Zimmer auch nicht so dolle, aber im Hotelzimmer hält man sich ja meist nur zum schlafen auf.

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  2. Lauenburg ist hübsch, davon habe ich auch etliche Fotos im Archiv, leider noch mit meiner ganz alten Lumix aufgenommen und ohne das schicke Panorama. Kann man da so hin oder ist die Terasse nur für Hotelgäste reserviert?

    Gruß, N.

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    1. Ganz vergessen zu erwähnen: allet schick mit Landschaft und so, aber das Foto mit Anker und Bugwelle ist klar das beste.

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    2. Da kann man auch ganz gepflegt bürgerlich essen (gut!) oder einfach ein Bier trinken. Dass die eine Terrasse mit Ausblick haben hat sich allerdings rumgesprochen ;)

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  3. Großartige (Elb)-Fotos von Harburg bis Lauenburg. Übrigens: Die ältere Ruine bei Krümmel (Turm) von der du schreibst, gehörte zur Fabrik der ehemaligen "Dynamit Nobel AG" die dort früher einenTeil ihrer Produktion hatte und diente dort als Wasserturm.

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    1. Ahja, danke für die Info. Dass Dynamit Nobel dort irgendwo eine Niederlassung haben/hatten war mir zwar bekannt, aber da ich Krümmel selber nicht fotografiert habe konnte ich den Standpunkt der Ruine nicht mehr so genau bestimmen. Geesthacht war wohl schon immer ein ziemlich explosiver Ort.

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