Samstag, 15. November 2014

Koch-, Fußball- und andere Künstler



















Obwohl das mit der Fußballkunst momentan nicht so recht klappen will, doch der Tabellenplatz ist an diesem Abend eindeutig Nebensache, Unterhaltung und Spaß sind angesagt im Ballsaal der Südtribüne. Fanräume und 1910 Museum laden ein zum dritten Kessel Braun-Weißes und versprochen werden diesmal sogar kulinarische Spezialitäten vom Rock'n'Roll-Koch Ole Plogstedt, bekannt aus Funk, Fernsehen oder der St.Pauli Jahrhundert DVD, auf dem er ein sehr modern interpretiertes Labskausrezept vorstellt. Nicht nur aus diesem Grund verzichte ich von vornherein auf ein Mittagessen, während Herr L. den Fehler macht sich vorher bei Mäcces mit ekligen Cheeseburgern vollzustopfen.

Auf dem Weg über den Dom schielt er trotzdem auf die Auslagen der Zuckerbäcker, aber ich dränge zur Eile. "Wir sind bestimmt die ersten" mault er ein wenig rum, aber erstens hätte ich ganz gerne einen Platz in den vorderen Reihen, zweitens gibt es da sicher was zu futtern, weil es beim FC immer irgendwas zu futtern gibt und drittens habe ich einen höllischen Durst.  

Mit einem Platz in den vorderen Reihen wird es natürlich nix, weil die ersten immer eine Stunde früher kommen, das ist wie im Stadion. Es ist immerhin früh genug um sich von der Alten Schule ein paar Bierchen zapfen zu lassen und das günstige Tagesmenü als Grundlage zu nehmen. Bei dem Preis sind Salat und Würstchen hoffentlich komplett gesponsert, sonst dürften sich die Einnahmen für Museum und Fanräume gegen Null bewegen. Das gesparte Geld setzen wir dafür in reichlich Bier um, das kostet auch nur 3 Öcken und ist wirklich randvoll. Die Alte Schule sollte unbedingt die Zapfhähne im Stadion bedienen, das wäre wirklich mal eine sinnvolle Maßnahme.

Eine Verdauungskippe ist auch noch drin vor der Show, den Raucherbalkon hatte ich überhaupt nicht auf dem Schirm, sonst könnte ich den traumhaft dunklen Nachtblick auf die Nordkurvenbaustelle jetzt mit einer Sportzigarette genießen. Laut ist es hier, klingt wie mechanisches Grillenzirpen. "Mir war gar nicht klar, dass wir in Norddeutschland so viele Grillen haben" sag ich, aber Herr L. ist sich ziemlich sicher, das ist bestimmt die Alarmanlage. Dann allerdings müsste sich jemand dafür zuständig fühlen. Man könnte den Herrn Bönig fragen, der hier auch gerade eine qualmt, als Teamdingens müsste er das wissen. Dann könnte man auch gleich fragen, ob das leuchtende Geraffel da unten etwa das Gras im Strafraum wachsen lassen soll, aber so wichtig sind mir die Antworten dann doch nicht.

Drinnen läuft uns natürlich laufend Prominenz über den Weg, was ich nur bemerke wenn Herr L. mir wieder ein "Selfie" ins Ohr nuschelt. "Du guckst immer in die falsche Richtung" sagt er, "Schulle stand eben die ganze Zeit hinter dir." Darüber kann ich nur grinsen. "Digger, ich hab n Selfie mit Boller und Bruuuuns, mehr geht einfach nicht. Höchstens mit Eddie Vedder." Außerdem guck ich auf Selfies immer derart bescheuert dass man die niemandem zeigen kann, deshalb mache ich das nur ungern, aber das muss ich ihm ja nicht auf die Nase binden. Dafür läuft mir Rainer Wulff über den Weg, der müsste eigentlich meine Hörbuch-CD signieren, dummerweise habe ich noch keine, gleich mal nach suchen... 

Die Show beginnt pünktlich, bei der netten Begrüßung werden wir noch einmal darauf hingewiesen, dass die Einnahmen des Abends komplett an Fanräume e.V. und den 1910 Museum e.V. gehen und wir möchten doch bitte heute Abend möglichst viel trinken, was sich ganz besonders unsere Stuhlreihe zu Herzen nimmt. Als Randsitzer ist man zwar schnell am Nachschub, hat aber nicht immer Vorteile. Sehen kann man auch nicht viel von hier hinten, es geht zu wie im Stadion, inklusive Fahnen wedeln und Hymnen singen, hach, hier bin ich zu Haus, und heute direkt mal ohne zu erwartende Heimpleite. Einfach mal glücklich sein.

Das bunt gemischte Unterhaltungsprogramm ist natürlich auch zum mitmachen gedacht, es werden Mitmacher gesucht. Für ein Fußballkommentatorenbattle mit AFM Radio Kommentatorengott Wolf Schmidt. Muahahaa, selbst wenn ich so etwas könnte, gegen Wolf kann man eigentlich nur verkacken. Meldet sich natürlich auch (fast) keiner, bis auf einen etwa 14 Jahre alten Knaben in der Reihe vor uns, was man auf der Bühne erst bemerkt als wir uns alle lautstark bemerkbar machen. Gott sei Dank, wenigstens einer der sich was traut. Und er schneidet nicht einmal schlecht ab, weil er zu Hause öfter mal übt vor dem Fernseher. Gut zu wissen, dass wir auch da fähigen Nachwuchs haben.

Etwas Mut braucht man auch, wenn man Spielern wie Basti Maier und Flo Kringe bei lustigen Quizspielen auf der Bühne zur Seite stehen soll, denn die werden nicht so viel über St.Pauli wissen denk ich mir. Dabei muss man nur schreckliche Hymnen erraten wie die von RB Leipzig und kann beim Fotoschnipselspiel Heinz Weisener mit dem Rautenkühne verwechseln, wo wohl so ziemlich alle im Saal drauf reinfallen, was mich ein wenig tröstet. Soooo unsympathisch war Papa Heinz nu wirklich nicht. Schiedrichter der Partie ist Enis Alushi, der schon beim Stand von 2:2 die Übersicht verliert, langsam wundert mich nichts mehr.

Im hinteren Küchenbereich werkelt der Rock'n'Roll-Koch gerade vor sich hin, unter (mehr oder weniger) tätiger Mithilfe unseres kickenden Personals werden Cashewkerne gehackt und Granatäpfel zerlegt, für die Vegetarier gibt es Couscous und geräucherten Mozzarellaspieß. Nach der dafür verwendeten "elektrischen Haschpfeife" muss ich mich demnächst mal genauer erkundigen. Für Mozzarella latürnich, nicht was ihr wieder denkt.

Während der Couscoussalat gemischt wird darf Schnecke mit einem Topf auf dünn geschnittenem Rindfleisch herumklopfen und sich dabei einen Vortrag über die richtige Fleischbehandlung anhören. Der Mann will hier wirklich etwas lernen und über das Spaghettistadium hinauswachsen, während sich Gonther und Schachten merklich zurückhalten. Ganz besonders Sören sieht nicht so aus, als würde er sich häufig in einer Küche aufhalten. Wäre mir ehrlich gesagt auch lieber sie würden sich auf ihre wahren Stärken konzentrieren, wo immer die auch gerade liegen.

In der Halbzeitpause finde ich den Stand mit Hörbuchsilberlingen und nach einer Halbzeitpausenkippe auch den dazugehörigen Rainer. Mein erstes Hörbuch und dann gleich eins mit Widmung des besten Stadionsprechers ever, allein dafür hat sich der Abend schon gelohnt. Herr L. schleppt eine weitere Runde Hopfenkaltschale an und zerrt mich in Richtung Bühne, wo uns Sebastian Schachten über den Weg läuft. "Selfie" blökt Herr L. in mein Ohr, laut genug dass auch Schachter das hören kann, der sich (so nett wie er ja immer ist) auch sofort bereitwillig zur Verfügung stellt, obwohl die Zeit drängt, er muss gleich noch auf die Bühne und was zaubern. "Zaubern sollt ihr auf dem Platz" sag ich und da muss er tatsächlich grinsen und gibt mir recht. Ist nur gerade nicht ganz so einfach mit der Zauberei, dann muss man mehr arbeiten. Tja, elf Mann von der Sorte Fighting Schachten und ich würde mir wenig Gedanken machen was das angeht.               

Einen Vorgeschmack auf mein neues Hörbuch bekomme ich, als Rainer die fabelhafte Geschichte vorliest wie Tommy Molotow beinahe Werwirdmillionär geworden wäre, hätte er sich nicht ausgerechnet Rainer als Telefonjoker ausgesucht. Wie gut sich Schachter aka Jim Salabim als Zauberer auf der Bühne macht lässt von hier hinten leider nicht beurteilen, aber die restlichen Programmpunkte gehen dank der fleißig fließenden flüssigen Unterstützung locker von den Lippen. An de Eck steit’n Jung mit’n Tüdelband könnte man im Stadion eigentlich öfter mal singen, dafür müssen die Ergebnisse allerdings erst wieder stimmen.

Die Hardcorepartyfraktion kann hinterher noch in die Fanräume zu Attila the Stockbroker und sich die Ohren durchpusten lassen, wir torkeln noch ein wenig über den Dom und nehmen ein Dessert auf dem Heimweg, weil man von Sterneküchenmozzarellacouscousgedöns nicht wirklich satt wird und die von Schnecke geklopften Steaks wahrscheinlich von der Mannschaft verspeist worden sind. Hauptsache es gibt Kraft genug für den am heutigen Abend so oft skandierten Auswärtssieg.

Dolle Sache dieser Kessel, wundert mich eigentlich dass die Karten nicht in ner halben Stunde alle weg waren, es gab sogar noch ein paar an der Abendkasse.

Kesselmusik: Lloyd Cole - Don't Get Weird On Me, Babe / Music In A Foreign Language












8 Kommentare:

  1. Couscous-Sushi auffe Süd, oder wät ?
    tztztz... ;-p

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    1. Ballsaal Digger, isja nich wie in nem Container so wie früher *g*.

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  2. du magst doch eigentlich keine geräucherten sachen wenn ich mich recht erinnere, aber wenns vom sternekoch ist mcht man schon mal eine ausnahme *fg*
    und wo ist das selfie mit schachter oder schachten oder wie immer der heißt?

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    1. Auf dem Selfie guck ich selbstverständlich wieder bescheuert, das ist unter Verschluss. Und so schlimm war der Rauch nicht, das beste auf dem Teller waren eh die beiden Kleckse neben dem Couscous. Keine Konkurrenz für den Chefkoch.

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  3. Hey klasse Bericht, Master Zaphod!
    Ich hab mich köstlich amüsiert und schallend gelacht zwischendurch.
    Ich kanns brauchen - - und das erste Foto ist ein Bringer.
    Schade nur, dass da im Hintergrund die Häuser stehen...

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    1. Also dass die da stehen find ich schon gut *g*, nur dass man sie sehen kann ist gerade doof, weil viele Leute keine Karten mehr bekommen bis die Lücke geschlossen ist.

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  4. Und ärgern ärgern ärgern.... unverhofft frei gehabt und überlegt zum Stadion zu fahren, aber dann befürchtet vor verschlossener Tür zu stehen wegen ausverkauft. Mist verdammt.

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    1. War auch ausverkauft nachher, aber wenn Du rechtzeitig gekommen wärst...

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