Sonntag, 13. November 2011

Sonnenschein aus Texas














Dieser winzige Music Star in Norderstedt überrascht mich immer mehr, das Konzert von Rod Picott vor ein paar Wochen war schon ein echtes Highlight, Tish Hinojosa und Marvin Dykhuis vermochten das am Samstag beinahe noch zu toppen. Da scheint man sich entweder besonders herzlich um die Musiker zu kümmern, oder das restliche Publikum dort ist ähnlich freigiebig wie ich, wenn das Schweinderl für die Künstler in der Pause rumgeht. Vielleicht auch beides. Da man mich letztlich auf einen in der Nähe befindlichen Geldautomaten aufmerksam machte, konnte ich trotz meiner Freigiebigkeit auch noch mehr CDs einkaufen als eigentlich vorgesehen. Der Laden wird mich wohl noch arm machen, wenn das so weitergeht.

Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich bisher so völlig ohne große Erwartungen dahin gefahren bin. Einfach mal ein bisschen nette Musik hören und ein Bier dabei trinken. Und immer wenn ich danach nach Hause fahre hab ich ein Grinsen im Gesicht, von einem Ohr zum anderen, das überhaupt nicht mehr weichen will. Musik kann glücklich machen. Das passiert mir nur bei ganz großartigen Konzerten, und die erwartet man vielleicht nicht unbedingt in einem Norderstedter Einkaufszentrum.

Ein großartiges Konzert hätte ich mir vielleicht unter so etwas wie Emmylou Harris in der Hamburger Musikhalle vorgestellt. Und dabei durchaus enttäuscht werden können. Statt Emmylou gab es "nur" ihre unbekanntere, dafür aber mindestens ebenso hübsche, Singer/Songwriter Kollegin Tish Hinojosa aus Texas. Die außer in Texas auch zeitweilig in Hamburg lebt. Der Liebe wegen, was ich schon grundsätzlich sehr sympathisch finde, wenn man sich in einen Hamburger verliebt. Kann nie ganz verkehrt sein.
Der durfte dann, rechtschaffen aufgeregt (die Bühne ist nicht so mein Ding), seine Herzallerliebste persönlich ankündigen, nebst ihrem musikalischen Begleiter, dem Gitarristen und Sänger Marvin Dykhuis. Die innerhalb weniger Minuten das enthusiastische Publikum gefesselt haben, durch gute Laune, eine enorme Ausstrahlung, tolle Songs und wahrhaft fantastisches Gitarrengezupfe vom Herrn Dykhuis. Zeitweilig mit auf der Bühne waren noch Uli Rademacher an der Mundharmonika und Susanne Eder an der Mandoline, die bei irgend einer Hamburger Countryband spielt, die mich vielleicht interessieren könnte. Dazu die Stimme von Tish Hinojosa, die in manchen Momenten tatsächlich ein wenig klingt wie Emmylou, und die mir live ohne das Studiobrimborium auf Anhieb noch besser gefiel als auf Platte, was recht selten vorkommt. 
Das muss ungefähr der Moment gewesen sein, an dem ich anfing zu grinsen, weil ich wusste, der Abend wird ganz große Klasse. Draußen ist es schweinekalt, und hier drinnen scheint die Sonne. Die Temperaturen passten sich dem auch ein wenig an, denn der Laden war proppenvoll. Dummerweise machte das Durchschnittsalter des Publikums es nötig, noch eine weitere Stuhlreihe zu installieren, was dem Platzangebot etwas abträglich war. Dabei sah das anfänglich noch ganz harmlos aus, als ich nur 15 Minuten vor offiziellem Beginn dort reingestolpert bin herrschte fast gähnende Leere.

In der Pause konnte ich mich bei einer Zigarette vor der Tür etwas abkühlen, dabei ein wenig mit dem Mundharmonikaspieler klönen, der ebenfalls völlig begeistert war vom Saitenspiel des Herrn Dykhuis, ein frisches Bier holen, meinen Obolus ins Sparschwein stecken und eine CD von der Künstlerin signieren lassen. Sehr entspannend, das ist der große Vorteil an solch kleinen Läden.
Die zweite Halbzeit wartete mit einigen Überraschungen auf, neue Songs von einer in Arbeit befindlichen neuen CD, ein paar ältere unglaublich schöne Songs, die sich auf keiner meiner CDs befanden und daher mindestens eine weitere außerplanmäßige Anschaffung nötig machten, ein paar Songs vom Herrn Dykhuis, die den Kauf der Marvin Dykuis CD zur Folge hatten, einen singenden Ehemann, der das trotz seiner Bühnenscheu ganz anständig gemeistert hat, und die geradezu göttliche Version eines Hamburger Klassikers.
"Ich kenne ein guten deutschen Lied" kündigte sie strahlend an, obwohl sie kurz vorher erfahren hatte, dass es sich beim Norderstedter Music Star um "HSV Territory" handelte, wovon die furchtbaren Farben der Sitzkissen zeugten.
Glücklicherweise hielt sie das nicht davon ab, das Herz von Sankt Pauli zu spielen. In einer dermaßen entzückenden Version, dass ich die unbedingt in diesem Leben einmal live im Stadion hören möchte. Wenn sie die restlichen Textzeilen auch noch lernt.

Ich lern dann im Gegenzug vielleicht Shotgun ridin' auswendig, das läuft hier gerade auf einer meiner Neuerwerbungen. Tish Hinojosa - A Heart Wide Open und Marvin Dykhuis - My House





5 Kommentare:

  1. deine Freude kommt gut rüber - kleiner saal und ein tolle musik: genau das, was ich immer noch gerne mag. in die platte werde ich mal reinhören...

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  2. Tish Hinojosa dürfte Dir eher nicht zusagen, das sind schon recht deutliche Countryeinflüsse, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ein paar "Cowboysongs" wie sie es nannte sind schon dabei. A Heart Wide Open ist teilweise sehr poppig, mein Favorit von ihr ist immer noch Homeland.
    Die Marvin Dykhuis würde ich Dir aber empfehlen, sehr abwechslungsreich, überraschend, von Blues bis Bluegrass, läuft hier grad sehr häufig.
    Schade, dass es so wenig Publikum gibt dafür, andererseits könnte man solche beinahe familiären Konzerte nicht mehr erleben, wenn die Masse auf einmal Geschmack entwickelt *fg*.

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  3. wenn ich mir das program so ansehe wird dort überwiegend country gespielt. dein faible für country teile ich leider nicht, sonst würde ich mir den laden gerne mal ansehen.

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  4. Country mag ich auch nicht. Aber kleine Schuppen mag ich sehr!Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass, wenn man sich mal "andere" Musik antut, man das am besten in so einem kleinen Schuppen macht. Da findet man eher den Zugang als beim CD hören oder gar in einem Stadion, oder so.

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  5. Country ist immer so negativ behaftet, die meisten halten das für reaktionäres amerikanisches Redneckgedudel und übersehen dabei, dass es haufenweise Leute gibt wie Townes Van Zandt, Ray Wylie Hubbard, Steve Earle etc. - auch Bob Dylan hat Country gemacht. Ich würde da Folk auch eher als Schublade vorziehen, auch wenn amerikanischer Folk natürlich sehr viele "ländliche" Einflüsse vorweist, die Grenzen sind da fließend.
    Amerikanische Countrycharts höre ich nicht, das sind eher Abende mit Geschichtenerzählern, und ich mag Geschichten. Die wirken auch besser in kleinem Rahmen.

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